Hast du Geschmackserlebnisse aus der Kindheit, die Dir bis heute in Erinnerung sind? Hat deine Oma zum Beispiel das beste Wurzelgemüse im Garten angebaut, das man sich nur vorstellen kann? In diversen Farben und Formen und herrlich duftend, wenn es gebacken aus dem Ofen kam? Und heute findest du dieses Wurzelgemüse weder beim Bauern noch im Supermarkt – ebenso wenig wie den knackigen Sommersalat, der besonders zart schmeckte? Tja, dann handelt es sich womöglich um alte Gemüsesorten, die tatsächlich kaum mehr angebaut werden oder im Handel zu finden sind. Vielleicht hast du aber auch das Glück, den Geschmack deiner Kindheit dank »Vielfalt schmeckt« wiederzufinden.
Ob Sommersalat oder Wurzelgemüse – die Vielfalt von Obst- und Gemüsesorten ist massiv bedroht
Man schätzt, dass 75 Prozent aller Kulturpflanzen, die es vor 100 Jahren noch gab, verschollen sind. Verschollen heißt: Diese wurden nicht mehr angebaut und es sind keine Samen mehr auffindbar. In der Pflanzenwelt ist die Rettung alter, samenfester Sorten ein echtes »Projekt Zukunft«, denn die genetische Vielfalt wird vielleicht noch benötigt, zum Beispiel für medizinische Wirkstoffe oder aufgrund von spezifischen Sorteneigenschaften zum Kreuzen mit anderen Sorten.
Wer weiß, was wir in Zukunft brauchen?
Unsere Pflanzenwelt auf ein paar Gemüsesorten zu beschränken, die uns heute nützlich, brauchbar und einfach erscheinen, und das Gros an Obst und Gemüse für immer aus der Welt zu verlieren, könnte sich in der Zukunft als eine zu kurzfristig gedachte Sichtweise herausstellen.

So frisch kann altes Gemüse aussehen!
Die Saatgut-Vielfalt bei alten Gemüsesorten
ist allerdings massiv bedroht.
Warum sind viele alte Sorten an Obst und Gemüse vom Erdboden verschwunden?
Wir Menschen denken spätestens seit Beginn der Industrialisierung in Bahnen der Effizienz und Effektivität, der Wirtschaftlichkeit und des Ertrags. Alte, samenfeste Sorten an Obst und Gemüse wurden vor allem auf Geschmack und Standorteigenschaften hin gezüchtet und sind in vielen Fällen nicht so ertragreich. Die modernen Hybridsorten sind auf Merkmale wie zum Beispiel Gleichförmigkeit, Optik und Ertragfähigkeit hin gezüchtet und haben somit heute Vorteile für den Handel und die Bauern. Es gibt also durchaus Gründe dafür, dass die alten Sorten vom Acker verschwunden sind.
Abgesehen von der Rettung alter Gemüsesorten: Geschmack braucht Vielfalt
Wir dürfen auch einfach nur Genießer sein und kulinarisch denken: Je mehr alte Sorten an Obst und Gemüse wir bewahren, desto mehr Farben, Düfte und Aromen finden wir auf dem Mittagstisch. Züchtungsziel der alten, samenfesten Sorten war meist der Geschmack, nicht Aussehen und Ertrag. Rote Bete schmeckt erdig, die alte Sorte ‚Chioggia‘ ist milder und daher für »Einsteiger« gut geeignet. Beide gemischt sehen super aus als Bete-Carpaccio mit Balsamico und Nussöl! Die runde Zucchini lässt sich viel besser füllen als die handelsübliche längliche. Zwölf alte Sorten werden bei »Vielfalt schmeckt« bisher angebaut, bald sollen es 17 sein. Unzählige weitere alte Sorten gibt es vermutlich, die wir vielleicht aufspüren und bewahren können. Obst ist noch nicht im Angebot von »Vielfalt schmeckt«, aber die Problematik betrifft alte Obstsorten genauso wie alte Gemüsesorten.
Probier doch mal das
‚Wunder von Stuttgart‘!
So sieht unsere Liste mit alten Gemüsesorten aus ökologischem Anbau bisher aus.
Hast du Lust bekommen, dir alte Gemüsesorten, zum Beispiel die runde Zucchini oder den Kopfsalat ‚Das Wunder von Stuttgart‘, auf den Mittagstisch zu holen? Dann schau doch mal in unsere Rezepte für buntes und gesundes Gemüse!
Wo kann ich alte Gemüsesorten kaufen?
Gemüsesorten aus dem Projekt »Vielfalt schmeckt« gibt es in vielen Bioläden in Südbaden und am Bodensee.
Saatgut von einigen dieser Sorten gibt es saisonal auch in allen Alnatura-Filialen. Achte zum Beispiel auf das ProSpecieRara-Logo, denn dieses zeigt, dass es sich um eine alte, samenfeste Sorte handelt.
Du hast weitere Fragen? Wir geben Antworten! Schreib uns eine E-Mail an info@vielfaltschmeckt.de
Was heißt samenfest und was ist hybrid?
Traditionelle Sorten, wie sie auch im Projekt »Vielfalt schmeckt« angebaut werden, sind samenfest. Das bedeutet, dass aus den Pflanzen die Samen gewonnen und im nächsten Jahr wieder für den Anbau eingesetzt werden können. So erhält man die Sorte über viele Jahre und bleibt unabhängig von Saatgutkonzernen. Wichtiges Züchtungsziel war bei traditionellen, samenfesten Sorten meist der gute Geschmack. Nachteile: Produkte samenfester Sorten sind unter Umständen nicht lange lagerfähig und liefern oft einen etwas geringeren Ertrag als Hybridsorten.
Hybridsorten sind Kreuzungen von Inzuchtlinien. Hybridsorten sind nicht samenfest. Würde man die Samen der Sorten im nächsten Jahr anpflanzen, würde eine Aufspaltung in Pflanzen mit verschiedenen Eigenschaften stattfinden. Hybridsorten haben oft einen hohen Ertrag und sind sehr gleichförmig im Aussehen, was sie für den Handel attraktiv macht. Nachteile sind, dass das Saatgut der Sorten jedes Jahr neu gekauft werden muss und oberstes Züchtungsziel oft nicht nur der Geschmack war.
Kann ich alte Gemüsesorten selbst anbauen?
Unbedingt! Viele Sorten eignen sich sogar besonders gut für den Hausgarten. Eine große Auswahl an Saatgut alter Gemüsesorten gibt es zum Beispiel bei ProSpecieRara, dort kann man als UnterstützerIn mit 30 €/Jahr Saatgut von bis zu zehn Sorten pro Jahr kostenlos bestellen.
Schmecken traditionelle Gemüsesorten besser?
Das lässt sich nicht beantworten, denn Geschmäcker sind verschieden. Eben deswegen ist es toll, eine große Vielfalt zu haben, denn so ist wahrscheinlich für jeden Geschmack etwas dabei. Bei Verkostungen mit Sorten aus dem Projekt »Vielfalt schmeckt« bekommen wir oft die Rückmeldung, dass die Sorten »intensiver« im Geschmack seien (»schmeckt total nach Tomate«, »hat den vollen Paprikageschmack« etc.).
Sind alte Gemüsesorten gesünder?
Das ist umstritten. Es gibt Hinweise, aber bisher keine eindeutigen Studien. Ein Beispiel aus dem Obstbereich zeigt allerdings, dass Apfelallergiker in einem Versuch oft einige der alten Apfelsorten in kleineren Mengen essen konnten, ohne Beschwerden zu bekommen.
Da die »Vielfalt schmeckt«-Sorten alle aus ökologischem Anbau stammen, wurden sie ohne den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide und Düngermittel erzeugt.